Drei Jahre Selbstständigkeit – ein Gespräch unter zwei Augen

Am 1. Oktober 2017 startete ich offiziell meine Selbstständigkeit als Coach, Beraterin und Trainerin. Die ersten drei Jahre gelten als entscheidende Zeit für den Aufbau einer eigenständigen beruflichen Existenz. Ist es mir gelungen? Ein kritischer Rück- und Ausblick im Selbstgespräch …

Wie kam es dazu, dass du dich selbstständig gemacht hast?
Bereits mit Ende 20, als ich meine Psychodrama-Weiterbildung absolviert habe, entstand in mir der Wunsch, einmal selbstständig zu sein. Damals stand ich erst am Beginn meiner beruflichen Karriere und hätte weder den Mut noch den Plan für so einen Schritt aufgebracht. 25 Jahre habe ich dann in Sozialorganisationen als Betreuerin, Beraterin und Führungskraft gearbeitet. Die Sehnsucht, mein eigenes Ding zu machen, wuchs aber weiter. Dann knallte es und mit Anfang 50 wusste ich: Jetzt oder nie. Ich entschied mich für das Jetzt und startete durch.

Was ist in den drei Jahren dein größter Erfolg?
Ich kann einige besonders großartige Aufträge benennen, aber das trifft nicht den Kern. Für mich ist es der kontinuierliche Fortschritt, den ich als größten Erfolg bezeichne. Ich hatte ein halbes Jahr Zeit, eine Strategie zu entwickeln. Ein kostenloses Startangebot für mein Netzwerk stand am Beginn. Ab dem ersten Monat meiner Selbstständigkeit kamen regelmäßig Aufträge, kleine wie größere. Ich habe mich zwar gut auf die Freiberuflichkeit vorbereitet, dennoch betrachte ich die Auftragslage als großes Glück. Jedes Mal ist es ein innerer Jubel, wenn eine neue Anfrage hereinkommt! Natürlich ist mir nach drei Jahren klar, dass es auch immer wieder ruhigere Zeiten geben kann, die es dann zu nutzen gilt.

Was beschäftigt dich aktuell in deiner Selbstständigkeit?
Die Coronakrise hat mich – wie viele andere Selbstständige auch – anfangs sehr gebeutelt. Drei Monate Umsatz fehlten durch Absagen im März, April, Mai. Ich wollte aber nicht leiden, sondern lösen. So übernahm ich zum ersten Mal ein Interimsmanagement für eine soziale Einrichtung. Das hat mir sehr viel Freude und neue Erfahrungen gebracht. Momentan befinde ich mich in Klausur in einem Tiny Haus in der Oberpfalz. Nach meinem diesjährigen Abschluss der Qualifizierung als Organisationsberaterin werde ich mein Geschäft neu ausrichten. Ich werde zukünftig keine eigenen Angebote im Bereich Psychodrama und Persönlichkeitsentwicklung mehr anbieten, sondern mein Profil als Coach, Führungskräfteentwicklerin, Moderatorin und Organisationsberaterin füllen, schärfen und kommunizieren.

Von welchen Werten lässt du dich leiten?
Persönlich schätze ich es, frei und selbstbestimmt mein Leben gestalten zu können. Gesellschaftlich halte ich Mut und Solidarität für notwendig. Beruflich lasse ich mich davon lenken, Menschen, Teams und Organisationen innovativer, partizipativer und zuversichtlicher in die Zukunft zu begleiten. Auf allen drei Ebenen lege ich Wert darauf, dankbar und empathisch zu sein.

Was wünscht du dir für deine Zukunft als Selbstständige?
Zunächst wünsche ich mir, dass der Staat die Solo-Selbstständigen in der Coronakrise nicht so alleine lässt wie bisher. Natürlich wünsche ich mir, dass neue Aufträge zur Organisationsentwicklung eingehen. Ich stärke gerade mein Netzwerk, um verlässliche Partner*innen für komplexe Aufträge an der Seite zu haben. Dass ich selbst schon in solche Netzwerke aufgenommen wurde, lässt mich jubilieren. Für meine Neupositionierung gilt das gleiche wie noch vor drei Jahren bei der Neugründung – da halte ich es mit Heinrich Heine: Ein kühnes Beginnen ist halbes Gewinnen.